»Nun, werden wir nicht eines Tages dahin gelangen?«

»Nein, denn eine Zucht, selbst in großem Maßstab und mit einer Geldreserve für schwierige Zeiten durch Seuchen oder Kriege bleibt doch immer eine Zucht. Es ist wie mit der Bodenkultur, nämlich eine sehr langwierige und wenig einträgliche Sache. Schließlich hat weder der Boden noch das Vieh die Menschen wirklich reich gemacht. Erinnert Euch an das Beispiel der riesigen Herden der Hirten in der Bibel, deren Leben gleichwohl so kümmerlich war.«

»Wenn das Eure Überzeugung ist, verstehe ich nicht, daß Ihr, der Ihr so vorsichtig seid, Euch in eine so langwierige und wenig einträgliche Angelegenheit gestürzt habt.«

»Nun, eben hier liegt der Grund, warum wir, Euer Herr Vater und ich, Eurer bedürfen.«

»Aber ich kann schließlich doch nichts dazu tun, daß Eure Eselinnen doppelt so oft werfen.«

»Ihr könnt uns dazu verhelfen, den Ertrag zu verdoppeln.«

»Ich verstehe absolut nicht, auf welche Weise.«

»Ihr werdet meinen Gedanken leicht erfassen. Das, worauf es bei einem rentablen Geschäft ankommt, ist die Geschwindigkeit, aber da wir Gottes Gesetze nicht ändern können, bleibt uns nur übrig, die Geistesschwäche der Menschen auszunützen. So stellen also die Maultiere die Fassade des Geschäfts dar. Sie decken die laufenden Kosten, bringen uns auf guten Fuß mit der Militärintendanz, der wir Leder und Tiere verkaufen. Sie erlauben uns vor allem einen ungehinderten Warenversand bei wesentlichen Steuer- und Zollerleichterungen, und wir können schwerbeladene Wagenzüge auf die Reise schik-ken. So befördern wir mit unserem Kontingent an Maultieren Blei und Silber, das für England bestimmt ist. Auf dem Rückweg bringen die Tiere Säcke mit Glasschaum mit, die wir >Schmelzmittel< taufen, für die Grubenarbeit benötigte Produkte, in Wirklichkeit aber Gold und Silber, das auf dem Umweg über London aus dem mit uns im Krieg befindlichen Spanien kommt.«

»Ich vermag Euch nicht mehr zu folgen, Molines. Weshalb schickt Ihr Silber nach London, um dann wieder welches zurückzubringen?«

»Ich bringe die doppelte oder dreifache Menge zurück. Was das Gold betrifft, so besitzt Graf Peyrac im Languedoc ein Goldvorkommen. Wenn er Eure Silbermine besitzen wird, können die Tauschgeschäfte, die ich für ihn in diesen beiden Edelmetallen machen werde, in keiner Weise mehr verdächtig erscheinen; dann kommen eben offiziell Gold und Silber aus den beiden ihm gehörigen Minen. Hierauf beruht unser eigentliches Geschäft. Denn das Gold und Silber, das in Frankreich gewonnen werden kann, ist geringfügig. Aber im Schutze dieser winzigen nationalen Produktion können wir, wenn die hiesige Mine und die im Languedoc unter einem einzigen Namen vereinigt sind, aus den Edelmetallen Spaniens rasch Gewinn ziehen. Denn dieses Land fließt über von Gold und Silber, das aus Amerika gekommen ist; es hat die Lust an jeglicher Arbeit verloren und lebt nur noch vom Tausch seiner Rohstoffe mit anderen Ländern. Die Banken Londons dienen ihm als Vermittler. Spanien ist zugleich das reichste und ärmste Land der Welt. Was Frankreich angeht, so werden seine Handelsbeziehungen, die sich infolge einer schlechten wirtschaftlichen Führung im geheimen vollziehen, es fast gegen seinen Willen bereichern. Und uns selbst zuvor, denn die investierten Summen werden rascher zurückfließen als durch den Verkauf einer Eselin, die zehn Monate trägt und höchstens zehn Prozent des investierten Kapitals einbringen kann.«

Angélique konnte nicht umhin, sich für diese genialen Berechnungen höchlichst zu interessieren.

»Und was gedenkt Ihr mit dem Blei zu machen? Dient es lediglich als Deckmantel, oder kann es handelsmäßig ausgewertet werden?«

»Das Blei ist ein sehr gutes Geschäft. Man braucht es für den Krieg und für die Jagd. Es ist in diesen letzten Jahren noch im Wert gestiegen, seitdem die KöniginMutter florentinische Ingenieure hat kommen lassen, die in all ihren Schlössern Badeeinrichtungen schaffen, wie es bereits ihre Schwiegermutter Katharina von Medici getan hatte. Ihr habt wohl einen solchen Baderaum auf Schloß Plessis gesehen, mit seiner römischen Wanne und all den Bleirohren.«

»Und der Marquis, Euer Herr, weiß er von diesen Plänen?«

»Nein«, erklärte Molines mit einem nachsichtigen Lächeln. »Er würde nichts davon verstehen, und das mindeste, was er tun könnte, wäre, mir mein Verwalteramt zu nehmen, das ich gleichwohl zu seiner Zufriedenheit versehe.«

»Und mein Vater, was weiß er von Euerm Gold-und Silberhandel?«

»Ich habe mir gesagt, daß ihm allein schon das Wissen um die Tatsache unangenehm sein dürfte, daß spanische Metalle seinen Grund passieren. Läßt man ihn nicht besser bei dem Glauben, daß die kleinen Einkünfte, die ihm zu leben erlauben, Früchte einer ehrbaren und überkommenen Betätigung sind?«

Angélique fühlte sich verletzt durch die ein wenig geringschätzige Ironie, die aus der Stimme des Verwalters klang.

Sie bemerkte trocken:

»Und wie komme gerade ich dazu, daß Ihr mir Berechnungen enthüllt, die zehn Meilen gegen den Wind nach der Galeere riechen?«

»Von der Galeere kann gar keine Rede sein, und sollte es einmal mit einem Beamten Schwierigkeiten geben, so würden ein paar Silberstücke die Sache in die Reihe bringen. Sind nicht Mazarin und Fouquet Persönlichkeiten, die mehr Kredit haben als die Fürsten von Geblüt und der König selbst? Aus dem einfachen Grunde, weil sie Besitzer riesiger Vermögen sind. Was Euch betrifft, so weiß ich, daß Ihr Euch gegen die Sänfte sträubt, solange Ihr nicht begriffen habt, weshalb man Euch auffordert, in ihr Platz zu nehmen.«

»Und wenn ich mich weigere zu begreifen?«

»Ihr wollt doch nicht, daß Euer Vater den Schuldturm kennenlernt«, sagte der Verwalter gelassen. »Es braucht gar nicht viel, und Eure Familie fiele in größeres Elend zurück als je zuvor. Und wie sähe Eure eigene Zukunft aus? Ihr würdet wie Eure Tanten in Armut altern. Eure Brüder und Eure kleine Schwester könnten keine Schule besuchen, sie müßten später ins Ausland gehen ...«

Da er sah, daß die Augen des Mädchens zornig blitzten, fügte er in süßlichem Ton hinzu:

»Aber warum zwingt Ihr mich, dieses düstere Bild auszumalen? Ich habe mir gesagt, daß Ihr aus einem andern Stoff gebildet seid als jene Edelleute, die sich in jeder Lebenslage auf ihr Wappen berufen und von den Almosen des Königs leben ... Man überwindet Schwierigkeiten nicht, ohne sie mit beiden Händen anzupacken und ohne ein wenig mit der eigenen Person zu bezahlen. Das heißt, man muß handeln. Ich habe nichts vor Euch verborgen, damit Ihr wißt, in welche Richtung Ihr Eure Anstrengungen lenken müßt.«

Keine anderen Argumente hätten Angélique tiefer treffen können. Sie zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Sie sah das heruntergekommene Schloß Monteloup von einst, ihre im Schmutz spielenden kleinen Brüder und Schwestern, ihre Mutter mit frosterstarrten Fingern, ihren Vater an seinem kleinen Arbeitstisch sitzend und angestrengt eine Bittschrift an den König schreibend, der nie geantwortet hatte.

Der Verwalter hatte sie aus dem Elend gezogen. Nun hieß es bezahlen.

»Es ist abgemacht, Monsieur Molines«, sagte sie mit leerer Stimme, »ich werde den Grafen Peyrac heiraten.«

Nun ritt sie auf dufterfüllten Wegen zurück, aber sie war völlig in ihre Gedanken versunken und sah nichts.