»Abwarten?« begehrte Cathérine auf. »Abwarten? Was redet Ihr da? Glaubt Ihr, mir stünde der Sinn nach Ruhe, nach Wohlleben, während … die Eifersucht mich verzehrt«, fügte sie offen hinzu, »und das Verlangen, ihn wiederzusehen, an mir nagt?«

Abu al-Khayr erhob sich, schob die Hände in seine weiten Ärmel und sah Cathérine streng an.

»Gut, laß dich von der Eifersucht verzehren, laß das Verlangen nach deinem Gatten noch einige Tage an dir nagen! Soeben warst du noch über die Schönheit Zobeidas bestürzt – hast du die Absicht, dem Mann, den du liebst, mit glanzlosem Haar, sommersprossiger Haut, mit von den Zügeln schwieligen Händen und dem mageren Körper einer verhungerten Katze gegenüberzutreten?«

Verwirrt senkte Cathérine den Kopf unter dieser Standpauke und wurde so rot wie die auf dem Tablett zurückgebliebenen Granatäpfel.

»Bin ich so häßlich geworden?« stammelte sie.

»Du weißt genau, daß du's nicht bist«, erwiderte Abu trocken. »Aber bei uns lebt die Frau nur, um dem Mann zu gefallen. Ihr Körper ist lediglich das Gefäß für die kostbaren Parfüms, die er gern einatmet, die Harfe, die er gern zum Klingen bringt, der Rosen- und Orangengarten, in dem er sein Verlangen schweifen läßt. Diese Waffen, die Zobeida besitzt, mußt du dir aneignen, oder vielmehr sie wiederfinden. Nur so wirst du deine Rivalin mit gleichen Waffen bekämpfen können. Erinnere dich an die Dame mit dem schwarzen Diamanten, die über einen Fürsten herrschte! Morgen werde ich dich persönlich in die benachbarte Badeanstalt führen und dich der Obhut Fatimas übergeben, die die Frauenabteilung unter sich hat. Es ist die gräßlichste Alte, die ich kenne, und die Königin der Kupplerinnen, aber sie versteht sich besser als irgend jemand darauf, aus einem vom Pflug ausgemergelten Maultier ein strotzendes Stutenfüllen mit herrlichem Fell zu zaubern. Und sie ist mir sehr verpflichtet: Sie wird Wunder an dir wirken! Und jetzt verlasse ich dich, ich muß noch einige Krankenbesuche machen. Wir sehen uns heute abend wieder.«

Er ging mit der ihm eigenen Würde hinaus und ließ Cathérine mit der bangen Frage zurück, ob das ›vom Pflug ausgemergelte Maultier‹ etwa auf sie bezogen war? Die Frage stand ihr so deutlich im Gesicht, daß Gauthier und Josse sich in schöner Einmütigkeit vor Lachen bogen. Josse kamen schließlich sogar die Tränen.

»So etwas Lustiges wie dieser kleine, brave Mann ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen!« sagte er, sich verhaspelnd und auf die Schenkel schlagend. »Oh, oh, oh, oh! … Nein! Das ist zu komisch!«

Einen Augenblick betrachtete Cathérine die beiden Männer, die sich unter der Gewalt ihres Gelächters auf den Kissen wälzten, und fragte sich, ob sie nicht doch böse werden sollte. Aber das Gelächter war ansteckend, und Cathérine konnte ihm nicht lange widerstehen. Es blieb ihr letzten Endes nichts anderes übrig, als es ihnen nachzutun.

Als Gédéon sah, daß alle so herzhaft lachten, glaubte er, die Höflichkeit erfordere es, daß auch er in das Konzert einstimme: »Ha, ha, ha, ha!« krächzte er. »Ca…thérine! Unaussssstehliche Cathérrrrine! Rrrruhm … dem Herrrzog!« Ein Kissen, das Gauthier ihm mit sicherer Hand an den Kopf warf, schnitt ihm das Wort ab.

10

Auf einer mit einem roten Badelaken bedeckten Marmorbank ausgestreckt und sich zwingend, an nichts zu denken, wie man es ihr geraten hatte, überließ Cathérine sich der Pflege Fatimas und ihrer Gehilfinnen. Sie schloß sogar die Lider, um nicht in die großen weißen Augen Fatimas blicken zu müssen, die noch häßlicher war, als Abu al-Khayr ihr angekündigt hatte.

Sie war eine riesige Äthiopierin, schwarz wie die Nacht und offenbar mit Bärenkräften versehen. Ihr schwarzes, dichtes, krauses Haar war kurz wie das eines Mannes, jedoch schon von einigem Grau durchzogen, und ihre großen Augen rollten in den Höhlen, versanken in einer weißgelblichen Hornhaut, die von feinen roten Äderchen durchzogen war. Wie ihre beiden Gehilfinnen war sie bis zur Taille nackt, und ihre schwarze Haut glänzte vor Schweiß, ihre riesigen, melonengleichen Brüste hüpften schwerfällig im Rhythmus ihrer Bewegungen. Von Zeit zu Zeit zog sie ihre dicken roten Lippen zurück, entblößte ihre blitzendweißen Zähne und machte sich dann wieder daran, den Körper der jungen Frau mit ihren Händen, die die Größe von Wäscheklopfern hatte, durchzukneten. Als Cathérine, fest in einen weiten grünen Umhang gehüllt, auf einem Esel in feierlicher Begleitung Abu al-Khayrs und der beiden stummen Schwarzen drei Schritte dahinter in der Badeanstalt angekommen war, hatte Fatima untertänigst gegrüßt, um sich dann mit dem Arzt in eine Unterhaltung von solchem Tempo zu stürzen, daß Cathérine bestimmt kein Wort verstanden hätte, wenn Abu sie nicht vorher unterrichtet hätte, was er sagen würde, um die Anwesenheit einer blonden Fremden in seinem Haus zu erklären.

Die Idee war einfach und außerdem noch einigermaßen erstaunlich, wenn man das Mißtrauen kannte, das der kleine Arzt Frauen gegenüber hegte: Er habe diese schöne blonde Sklavin von einem Barbarenschiff gekauft, das in Almeria zwischengelandet sei, und schätze, er werde an ihr in seinen alten Tagen seine Freude haben, wenn Fatima einmal ihre unübertreffliche Kunst an ihr praktiziert und sie würdig gemacht habe, das Lager eines anspruchsvollen Gläubigen zu teilen. Aber er hatte von der dicken Äthiopierin verlangt, daß sie sie anderen Kundinnen stets fernhalte, weil er fürchte, wie er sagte, daß über die Nachricht von seiner großartigen Erwerbung geklatscht würde. Die prüde Miene, die niedergeschlagenen Augen und das Getue ihres Freundes hatten Cathérine fast zum Lachen gebracht, aber Fatima sah nur Feuer. Oder vielmehr schloß sie aus den schönen Golddinaren, die aus der Hand ihres Klienten rollten, daß der weise Abu al-Khayr sehr verliebt sein mußte und man sich nicht auf den äußeren Schein verlassen durfte. Der da, mit all seiner Würde und Geringschätzung, war alles in allem auch wie die anderen! Ein schönes Mädchen kam bei ihm immer ans Ziel …

Sie machte sich alsbald ans Werk. Im Handumdrehen von zwei Maurinnen entkleidet, die ebenso mager waren wie ihre Herrin fett, fand sie sich auf einem Holzschemel in einem ganz mit Mosaiken verkleideten, von Dampf erfüllten Raum wieder. Dort ließ man sie eine gute halbe Stunde schwitzen, worauf die beiden Bademeisterinnen sie halb erstickt auf die Massagebank transportierten, wo Fatima, die Fäuste in den Hüften, sie wie der Henker sein Opfer erwartete.

Cathérine wurde wie Brotteig auf dem Tisch ausgebreitet, dann zog Fatima, ohne einen Augenblick zu verlieren, einen Handschuh aus rauher Wolle über die rechte Hand, packte mit der anderen einen großen Topf mit einer ockerfarbenen, teigartigen Lehmmasse und begann, ihre Klientin in irrsinnigem Tempo einzuschmieren. Im Nu war die junge Frau in eine Art Schlammstatue mit ein paar Löchern für die Augen und die Atmung verwandelt. Die kräftigen Hände Fatimas massierten sie mit diesem Lehm, dann wusch man sie unter einer Dusche ab, hüllte sie in ein großes, feines Wolltuch und brachte sie auf einen anderen Tisch mit einer bogenförmigen Stütze für den Hals, so daß das Haar frei herunterhängen konnte.

Catherines Haar wurde mehrmals eingeseift, gespült, nochmals gespült, mit parfümiertem Öl getränkt, dann wieder gewaschen und schließlich mit einer Essenz aus Jasmin eingerieben. Während der ganzen Zeit, die diese Arbeitsgänge dauerten, hatte sie die Stimme der dicken Fatima nicht ein einziges Mal gehört. Sie machte erst den Mund auf, als ihre Klientin, ein trockenes Handtuch um den Kopf und in einen feinen, weißwollenen Bademantel gehüllt, auf einer Art Ruhebett inmitten unzähliger Kissen ruhte.

Zuerst klatschte Fatima in die Hände, worauf ein Eunuch mit einem großen Kupfertablett erschien, auf dem eine Menge kleiner Schüsseln stand.

Dieses Tablett stellte er auf einen niedrigen Tisch neben dem Ruhebett. Fatima, die es nicht für nötig befunden hatte, ihre Blöße zu bedecken, als der Eunuch eingetreten war, zeigte auf das Tablett.

»Du wirst alles essen, was da draufsteht«, sagte sie zu Cathérine.

»Alles?« rief die junge Frau bestürzt. In der Tat konnte sie auf dem Tablett mehrere Arten Fleischkugeln dampfen sehen, zwei Suppen, von denen die eine ebenfalls Fleischklöße zu enthalten schien, in Essig eingelegte Gurken, geröstete Auberginen, eine Art Ragout in einer würzigen Sauce und schließlich mehrere Kuchensorten, die von Honig glänzten und mit Mandeln bespickt waren. Selbst Gauthier hätte davon satt werden können! »Das könnte ich nie alles essen!« sagte sie mit einer Schüchternheit, die durch die imposante Erscheinung Fatimas zu erklären war, aber die Bademeisterin ließ sich nicht im geringsten rühren.

»Du wirst dir die nötige Zeit dazu nehmen, aber du mußt alles essen! Versteh mich wohl, Licht des Morgens: Dein Herr Abu al-Khayr hat dich mir anvertraut, auf daß ich das schönste Geschöpf des ganzen Islams aus dir mache. Und ich habe meinen Ruf zu erhalten. Du kommst mir hier nicht heraus, bis dein Körper so lieblich wie Rosensorbett geworden ist!«

»Ich komme hier nicht heraus?« wiederholte Cathérine. »Was willst du damit sagen?«

»Daß du dieses Haus nur verlassen wirst, um ins Bett deines Herrn zu gehen und ihm Freude zu bereiten«, versicherte die Negerin gelassen. »Bis zu diesem Tag ist dies deine Wohnung. Hier wirst du bedient, gepflegt und beaufsichtigt werden wie …«

»Wie eine Mastgans!« brauste Cathérine auf. »Aber ich will nicht! Ich werde hier vor Langeweile umkommen!«

»Dazu wirst du gar keine Zeit haben! Du bist zwar schön, aber gräßlich mager, deine Haut ist trocken. Es gibt viel zu tun. Und dann wirst du dich im Garten ergehen und die frische Abendluft auf der Terrasse genießen können. Schließlich wirst du, gebührend verschleiert und unter gutem Geleit, von Zeit zu Zeit einen Spaziergang in die Stadt machen. Glaube mir, du wirst keine Zeit haben, dich zu langweilen! Im übrigen wird die Dauer deines Aufenthalts hier von deinem guten Willen abhängen. Je eher du bereit bist, desto schneller kommst du hier heraus … obwohl ich die Eile nicht begreife, mit der du nach den Liebkosungen des kleinen Arztes verlangst, der zwar viel Hirn hat, aber wenig Muskeln und ein armseliger Liebhaber sein muß. Iß!«

Und mit diesem nachdrücklichen Befehl ging Fatima hinaus und ließ Cathérine unschlüssig zwischen Wut und Lachlust zurück. Wie hatte Abu es wagen können, sie bei dieser Frau einzusperren! Er hatte sich wohl gehütet, ihr zu sagen, daß sie erst dann zu ihm zurückkehren werde, wenn sie ihren ganzen Charme wiedererlangt habe, denn er wußte sehr wohl, wie sie darauf reagiert hätte. Übrigens ließ sich nicht schwer erraten, daß er sie, als er sie diesem schwarzen Dickwanst anvertraut hatte, vor ihren eigenen Impulsen sichern und sich selbst Zeit zum Überlegen geben wollte. Im Grunde war es hinterlistig! Das beste war, zu gehorchen.

Folgsam schlang sie den Inhalt ihres Tabletts hinunter, trank mit Mißtrauen zuerst, dann mit zunehmendem Genuß Pfefferminztee, heiß, stark und gut gezuckert … und schlief darauf ganz natürlich ein. Als sie erwachte, stand Fatima neben ihrem Diwan, breit grinsend und ihre kräftigen weißen Zähne entblößend.

»Du hast zwei Stunden geschlafen!« verkündete sie ihr triumphierend. »Und du hast alles aufgegessen: gut so! Wir werden uns verstehen. Jetzt können wir fortfahren.«

Zwei Dienerinnen hoben sie vorsichtig, als wäre sie eine Kristallvase, von ihrem Diwan und brachten sie in den Raum der Enthaarung, wo sie eine Spezialistin mit Hilfe einer dicken Paste aus Kalk und Rauschgelb von jedem überflüssigen Flaum befreite, während eine Friseuse ihr Haar mit zartem Henna bestrich, das, einmal entfernt, ihrem Haar einen wundervollen rotgoldenen Glanz verlieh. Danach übergab man sie wieder den Händen Fatimas. Die Bademeisterin rieb den ganzen Körper ihrer Klientin mit einem ätherischen Öl ein und begann dann, sie zu massieren.

Diesmal überließ sich Cathérine der Prozedur mit echtem Vergnügen.

Die schwarzen Hände Fatimas konnten eine unerbittliche Festigkeit, doch ebenso auch erstaunliche Sanftheit beweisen. Zweifellos um sie zu ermutigen, erklärte die Äthiopierin, während sie den Bauch der jungen Frau energisch bearbeitete:

»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du selbst mit der Prinzessin Zobeida, der Perle des Harems, wetteifern können.«

Der Name ließ Cathérine zusammenzucken. Sie wurde sofort aufmerksam und fragte, ohne sich den Anschein eines besonderen Interesses zu geben:

»ich habe von ihr gehört. Kennst du sie? Man sagt, sie sei sehr schön …«

»Gewiß, ich kenne sie. Sie hat sich sogar einmal nach einer Krankheit meiner Behandlung anvertraut. Sie ist das schönste Pantherweibchen des ganzen Orients. Sie ist grausam, wild, feurig, aber schön! O ja, bewunderungswürdig schön! Und sie weiß es ganz genau. Zobeida ist stolz auf ihren Körper, dessen Vollkommenheit sie kennt, auf ihre Brüste, nach denen man makellose Schalen formen könnte … und sie verbirgt sie nicht im geringsten. In ihren Gemächern und in ihrem Privatgarten trägt sie nichts als ganz durchsichtige Musselinstoffe und wunderbare Juwelen, um die Augen ihres Geliebten zu ergötzen.« Plötzlich schluckte Cathérine.